Wer beim Haus- oder Wohnungskauf Baumängel feststellt, muss diese sofort rügen – sonst verliert man das Recht auf Gewährleistung. Doch was passiert, wenn der Verkäufer die Mängel trotz verspäteter Anzeige anerkennt und behebt?
Ein aktueller Entscheid des Bundesgerichts zeigt: In gewissen Fällen gilt das als stillschweigender Verzicht auf die Einrede der Verjährung – mit weitreichenden Folgen für Käufer und Verkäufer.
Der Fall im Überblick
Zwei Käufer einer Neubauwohnung im Kanton Waadt forderten Schadenersatz wegen verschiedener Baumängel. Das Kantongericht (1. Instanz) anerkannte zwar die Mängel, verneinte aber teilweise das Recht auf Ersatz, da die Mängel nicht rechtzeitig gerügt worden seien. Das Appellationsgericht (2. Instanz) wies die Klage vollständig ab – die Käufer seien zu spät gewesen mit der Mängelrüge.
Doch das Bundesgericht kam zu einem anderen Schluss: Die Verkäuferin hatte durch ihr Verhalten auf die Einrede der verspäteten Rüge stillschweigend verzichtet.
Was bedeutet „Verzicht auf Einrede der verspäteten Mängelrüge“?
Nach Art. 201 Abs. 3 OR muss ein Käufer Mängel unverzüglich nach der Entdeckung rügen – sonst gilt die Sache als genehmigt. Allerdings kann der Verkäufer ausdrücklich oder stillschweigend auf diese Einrede verzichten.
Ein solcher stillschweigender Verzicht liegt vor, wenn der Verkäufer:
- Nachbesserungen ohne Vorbehalt durchführt, obwohl er die Verspätung kennt,
- Mängel anerkennt und sich aktiv um deren Behebung bemüht,
- oder gar gerichtliche Schritte gegen Subunternehmer einleitet.
Im aktuellen Fall hatte die Verkäuferin:
- einen Vorbehalt nur in Bezug auf die Mängel selbst, jedoch nicht auch in Bezug auf die Rechtzeitigkeit der Mängelrüge gemacht,
- sich zur Nachbesserung mehrfach sowie vorbehaltlos verpflichtet,
- und Schritte zur Mängelbeseitigung eingeleitet.
Das genügte dem Bundesgericht: Die Verkäuferin habe mit solchen Handlungen und bloss teilweisen Vorbehalten ihre Rechte verwirkt, sich auf die Tatsache einer verspäteten Anzeige zu berufen.
Relevanz für Bauherren und Käufer
Der Entscheid macht deutlich:
- Verkäufer und Unternehmer müssen klar kommunizieren, ob sie eine verspätete Rüge akzeptieren oder nicht.
- Schon eine vorbehaltlose Zustimmung oder einfache Handlungen können als Zustimmung gewertet werden – mit potenziell kostspieligen Folgen.
- Für Käufer bietet der Entscheid Hoffnung: Nicht jede Fristversäumnis führt automatisch zum Verlust des Rechts auf Mängelrüge.
Fazit
Der Fall zeigt: Wer Mängel spät meldet, kann dennoch erfolgreich sein – wenn der Verkäufer durch sein Verhalten stillschweigend auf seine Einrede verzichtet. Ob aus den Umständen tatsächlich auf einen Verzicht geschlossen werden darf, ist aber in jedem einzelnen Fall individuell zu prüfen.
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