Das Interesse am Vorkaufsrecht zeigt sich exemplarisch an der Volksabstimmung im Kanton Zürich vom 30. November 2025. Während Parteien von Mitte-Links ein Vorkaufsrecht „immer und überall“ sichern wollen, warnen die Gegner vor riesigen Ausgaben ohne Nutzen („Steuermillionen für nichts – kein einziger Quadratmeter Wohnraum“). In diesem Spannungsverhältnis haben Regierungs- und Kantonsrat einen Gegenvorschlag ausgearbeitet, welcher es den Gemeinden mit massiv mehr Geld ermöglichen will, gezielt günstigen Wohnraum zu schaffen. Im Abstimmungskampf sprachen sich vor allem Städte wie Winterthur und Uster für ein Ja zur Initiative aus. Verbände wie der Hauseigentümerverband HEV lehnten auch den Gegenvorschlag ab und fürchteten, dass im Fall eines Vorkaufsrechts im Kanton deutlich weniger gebaut oder saniert und neuer Wohnraum gar nicht erst entstehen wird. In der Abstimmung vom 30. November 2025 sagte die Stimmbevölkerung des Kantons Zürich mit 59.3% deutlich Nein zur Initiative für ein Vorkaufsrecht. Sie stimmte aber dem Gegenvorschlag und damit mehr Geld für die Wohnbauförderung knapp zu (51% Ja-Anteil).
Das Vorkaufsrecht ist ebenso in der Stadt Luzern in die Wohnbaupolitik aufgenommen worden, was angesichts der Auswirkungen auf den Immobilienmarkt Aufmerksamkeit verdient. Dass der Stadtrat in den nächsten Jahren Hunderte zusätzliche und vor allem gemeinnützige Wohnungen realisieren oder bauen lassen will, ist zwar längst bekannt. Weniger bewusst sind in der allgemeinen Wahrnehmung jedoch laufende Vorbereitungen in der städtischen Politik, welche darauf abzielen, ein Vorkaufsrecht an Liegenschaften in der Stadt einzuführen (vgl. Mitteilung der LZ vom 5. November 2025). In welchem Umfang und in welchen Fällen der Stadtrat das Vorkaufsrecht beanspruchen will, ist zwar noch nicht bekannt. In der Stossrichtung dürfte er aber das Anliegen einer Volksinitiative der SP Stadt Luzern, welche am 14. Mai 2024 ihre Initiative für ein kommunales Vorkaufsrecht eingereicht hatte, in einen Gegenvorschlag aufnehmen.
Konkrete Erfahrungen gibt es bereits aus der Stadt Lausanne, welche bisher in mindestens 14 Fällen von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machte. Auch wenn diese Anzahl zur Gesamtzahl der Transaktionen (500) gering erscheinen mag, so ist die Einflussnahme des Gemeinwesens auf den Immobilienmarkt zumindest theoretisch beträchtlich – und wo sie ausgeübt wurde, wurde damit sicher auch der eine oder andere gewerbsmässige oder private Interessent übertrumpft.
Die Anwendung des Vorkaufsrechts ist nicht von vornherein schlecht und auch bei Privaten ein beliebtes Sicherungsmittel im Hinblick auf den Erwerb von Immobilien und Wohneigentum. Sie schliessen dazu einen Kaufvertrag über ein Vorkaufsrecht an einem Grundstück ab, welcher zu seiner Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung bedarf (Art. 216 Abs. 2 OR). Vorkaufs- (und Rückkaufsrechte) dürfen für höchstens 25 Jahre vereinbart und im Grundbuch vorgemerkt werden (Art. 216a OR). Der Vorkaufsfall tritt ein und das Vorkaufsrecht kann geltend gemacht werden, wenn das Grundstück verkauft wird, sowie bei jedem andern Rechtsgeschäft, das wirtschaftlich einem Verkauf gleichkommt (Art. 216c Abs. 1 OR).
Mit dem erwähnten Trend erhält das Instrument des Vorkaufsrechts jedoch eine neue (stärkere) Bedeutung. Seine Einführung hat das Potential, die gewohnten Markt- und Machtverhältnisse durch die öffentliche Hand – gleichgültig ob Kanton, Stadt oder Gemeinde – nachhaltig zu verändern. Die Konzentration auf ein paar wenige Berechtigte, welche zudem über fast unerschöpfliche Geldreserven aus Steuereinnahmen verfügen, verschafft ihnen einen wertvollen Vorsprung und legitimiert seine inflationäre Anwendung. Mit Blick auf die viel zitierte Wohnraumknappheit, die politischen Forderungen nach mehr preisgünstigem Wohnraum und der ständigen Entwicklung der Wohnraumpolitik werden die zuständigen Behörden zu jedem Zeitpunkt die passende Begründung finden. Dies verzerrt nach der hier vertretenen Auffassung die ohnehin anspruchsvolle Wettbewerbssituation auf dem Immobilienmarkt zusätzlich, indem an denselben Bauten, Anlagen und Grundstücken interessierte Private und Gewerbler in eine weniger günstige Position gedrängt und somit benachteiligt werden. Für Verkäufer von Wohneigentum kommt zudem ein weiterer fremdbestimmender und regulierender Faktor mit Auswirkung auf das beabsichtigte Kaufgeschäft hinzu.
Für die Beratung rund um einen Verkauf oder den Erwerb von einem Grundstück oder einer Wohnung und insbesondere bei Fragen zum Vorkaufsrecht stehen Ihnen die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der Kanzlei Pilatushof gerne zur Verfügung.



